Gedenken an Pogromnacht 2019

Gedenken am Standort der ehemaligen Synagoge. Foto: Daniela Tobias

Anders als in den letzten Jahren fand das Gedenken an die Novemberpogrome aufgrund des Shabbat erst am Abend des 9. November statt. Am Bunker auf dem Schulhof des Gymnasiums Schwertstraße versammelten sich gegen 18:30 Uhr etwa 100 Solinger Bürgerinnen und Bürger, um an die Gewaltexzesse in der Nacht vom 9. auf den 10. November zu erinnern, als in Solingen wie in ganz Deutschland die Synagogen brannten, Geschäfte und Wohnungen jüdischer Nachbarn zerstört und geplündert wurden, ihre Inhaber und Bewohner bedroht, misshandelt und auch ermordet wurden.

Leonid Goldberg fiel es als Vorsitzendem der Jüdischen Kultusgemeinde Wuppertal sichtlich schwer, Jahr für Jahr aufs Neue antisemitische Vorfälle aus dem vergangenen Jahr aufzuzählen. Es sei Zeit zu Handeln und nicht mehr nur Besorgnis auszudrücken. Wenn Juden angegriffen werden, müsse sich die Gesellschaft schützend vor sie stellen. Ebenso mahnte er deutlichere Urteile der Justiz zu antisemitischen Vorfällen an. Diese dürften nicht weiter verharmlost und relativiert werden.

Oberbürgermeister Tim Kurzbach rief dazu auf, angesichts zunehmender Hetze und Spalterei aktiv auf andere zuzugehen, einen Bekanntenkreis aufzubauen, der auch scheinbar fremde Nachbarn einschließt, den Dialog zu suchen und sich dabei bewusst aus der eigenen Komfortzone heraus zu bewegen.

Stadtdechant Michael Mohr erinnerte im Namen des Arbeitskreises Christlicher Kirchen an das Gebot der Nächstenliebe. Auch er mahnte mehr Zivilcourage und aktives Handeln an. „Da ist noch Luft nach oben, auch bei mir“, gestand der katholische Pfarrer.

Finn Grimsehl-Schmitz sprach für den Jugendstadtrat und forderte eine stärkere politische Bildung, die gegen faschistische Strömungen wappne. Es reiche nicht, mit dem Finger auf Jugendliche zu zeigen, die offen für nationalistische und antidemokratische Ideologien sind. Hier müsse man sich fragen, ob die Schule hinreichend Vorbild sei, sich dem zu widersetzen.

Bevor die Besucher mit Kerzen durch den benachbarten Maltesergrund zum Haus der Jugend zogen, sprach Rabbiner David Vinitz ein Gebet für die in der Shoah ermordeten Jüdinnen und Juden.

Hier fand im Anschluss die Jugendveranstaltung „together we shine“ statt. Bereits im Park sang der Chor Voices der Friedrich-Albert-Lange-Schule, der auch das von Sinja Waldmann moderierte Programm der Jugendlichen gegen 20 Uhr eröffnete. Mit Musik von Boum, Notyzz und Belakongo, Theaterszenen des Projekts „Nicht in meinem Namen!“ und Poetry-Slam-Beiträgen von Mitgliedern des Jugendstadtrats  wurde sowohl an die Opfer des Nationalsozialismus gedacht, sowie ein Zeichen für Toleranz und Vielfalt gesetzt. Daniela Tobias vom Unterstützerkreis Stolpersteine las aus den Erinnerungen von Bella Taback, die als Siebenjährige den brutalen nächtlichen Überfall auf ihre Familie in Solingen während der Pogromnacht erlebte.

Die Teilnehmer der beiden Veranstaltungen konnten Kerzen und Adress-Zettel mitnehmen, um sich an der Aktion „Ein Licht für Stolpersteine“ zu beteiligen.

Diskussion „Antisemitismus – geht jeden an“

Eine Podiumsdiskussion unter der Moderation der Philosophin Dr. Uta D. Rose, mit  Dr. Ilka Werner (Superintendentin Ev. Kirchenkreis Solingen), Irina Agyeman (Rent-a-Jew) und Dr. Horst Sassin (Historiker)

Donnerstag, 14. November 2019 | 19 Uhr
Forum/Raum 322 | Bergische VHS | Mummstr. 10 | SG-Mitte

Was ist Antisemitismus?
Erkennen Sie Antisemitismus im Alltag?
Wissen Sie, wie Sie reagieren könnten?

Antisemitismus hat zugenommen, in Quantität und Qualität. Er kommt aus allen Bereichen, von rechts, aus der Mitte, es gibt den muslimischen Antisemitismus. Die einen klagen über die „Keule“ des Antisemitismus-Vorwurfs, andere meinen, es fehle ein grundlegendes Verständnis davon, was Antisemitismus eigentlich meint.

Was also ist Antisemitismus?
Wo fängt er an, wo hört er auf?
Was weiß ich darüber?
Was weiß ich von jüdischem Leben in Deutschland?

Die Veranstaltung bietet Gelegenheit, Fragen zu stellen, Informationen zu geben und zu erhalten, von eigenen Erfahrungen zu berichten und Handlungsansätze zu diskutieren.

Die Gäste auf dem Podium möchten mit Ihnen ins Gespräch kommen:

  • Dr. Ilka Werner, Superintendentin Ev. Kirchenkreis Solingen
  • Irina Agyeman, Rent-a-Jew
  • Dr. Horst Sassin, Historiker

Moderation: Dr. Uta D. Rose, Philosophin

Der Eintritt ist frei.

Ansprechpartner
Dr. Heinz-Werner Würzler | Fon 0212 290 – 3265
Mummstraße 10 | 42651 Solingen
heinz-werner.wuerzler@bergische-vhs.de

Veranstaltungen rund um den 9. November 2019

Rundgang zu den Tatorten der Reichspogromnacht mit Daniela Tobias 2018. Foto: Uli Preuss

Am 8. November 2019 um 17:30 Uhr lädt Daniela Tobias wieder zu einem Stadtrundgang zu den Tatorten der Pogromnacht von 1938 in Solingen ein. Startpunkt ist diesmal vor dem Theater und Konzerthaus an der Konrad-Adenauer-Str. 71, und der ca. 3km lange Weg endet gegen 19 Uhr an der Max-Leven-Gasse. Anhand von Zeugenaussagen und mit Hilfe historischer Fotos werden die Ereignisse an Ort und Stelle geschildert, wo die Pogrome vorbereitet wurden, wo Häuser und Geschäfte zerstört und geplündert wurden, wo die Synagoge niederbrannte und wo Max Leven erschossen wurde. Es wird um eine Spende für den Verein Bildungs- und Gedenkstätte Max-Leven-Zentrum Solingen gebeten.

Die Aktion „Ein Licht für Stolpersteine“ findet im Anschluss an die offizielle Gedenkveranstaltung am Abend des 9. November statt. Alle Bürgerinnen und Bürger sind eingeladen, an den Stolpersteinen Kerzen aufstellen und der Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken. Grablichte und Kerzen gibt es kostenlos bei der Aktion „Together we shine“ ab 19:30 Uhr im Maltesergrund. Sie können uns gerne Fotos von den besuchten Stolpersteinen und Ihre eigene Gedanken dazu an info@stolpersteine-solingen.de schicken.


Weitere Veranstaltungen rund um den 9. November:

Samstag, 9. November 2019 um 18:30 Uhr
Das „Bündnis für Toleranz und Zivilcourage“, die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen, die Jüdische Kultusgemeinde laden gemeinsam mit der Stadt Solingen zur Gedenkveranstaltung ein, um der Opfer der Reichspogromnacht zu gedenken. Treffpunkt ist auf dem Schulhof des Gymnasiums Schwertstraße.

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Samstag, 9. November 2019
Jugendveranstaltung „Together we shine“ im Gedenken an die Opfer der nationalsozialistischen Verbrechen. Moderation: Pro Agenda/Contra Nazi-Gruppe des Jugendstadtrates

  • 19:30 Uhr Lichtaktion im Park Maltesergrund
  • 20:00 Uhr Veranstaltung im Haus der Jugend

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Freitag, 8. November 2019 um 19 Uhr
Ausstellungseröffnung in der Christuskirche, Opladener Str. 5-7, 42699 Solingen unter dem Titel „Einen Schmetterling habe ich hier nicht gesehen“ mit Kinderzeichnungen aus dem KZ Theresienstadt und Vorträgen von Gedichten und musikalischer Begleitung.

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Freitag, 1. November um 17 Uhr
„Verstummte Klänge leben“, Vortrag von Volker Ahmels, Leiter des Zentrums für Verfemte Musik an der Hochschule für Musik und Theater Rostock, zu den Komponisten des unten stehenden Konzerts im Zentrum für Verfolgte Künste, Wuppertaler Str. 160

und Samstag, 2. November um 19:30 Uhr
Kirchenkonzert der Bergischen Symphoniker in St. Joseph in Ohligs
setzt ein Zeichen gegen den wieder aufkommenden Antisemitismus mit Werken von jüdischen Komponisten, deren Werke als „verfemt“ galten und verboten waren.

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Sonntag, 3. November um 16 Uhr
„Meine Verfolgung war in Iassi.“ Was Jüdinnen und Juden nach dem Holocaust erzählten, Lesung mit Olaf Reitz, in der Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal

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Freitag, 8. November ab 17 Uhr
findet in der Gedenk- und Bildungsstätte Pferdestall unserer Nachbarstadt Remscheid ein umfangreiches Programm mit Ausstellung, Führungen und Vortrag statt. Anmeldung bis 1.11. erwünscht.

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Sonntag, 10. November ab 16 Uhr
„Bet HaKnesset – das Haus der Gemeinde“ Einführung des Modells der Langenberger Synagoge (1803-1927) in der Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal

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Gymnasium Vogelsang gedenkt der Opfer des Nationalsozialismus

Fotos: Daniela Tobias

Am 24. Juni 2019 macht sich die Klasse 9a vom Gymnasium Vogelsang schon früh Morgens auf den Weg zur Hasseldelle. Am Erbenhäuschen 88 ist der erste Stopp der Klasse von Tim Lattmann. Lena und Pia packen Zahnpasta, Spülschwamm und Wasserflasche aus, um den Stolperstein von Josef Becker wieder zum Glänzen zu bringen. Es erfordert einigen Einsatz von den beiden Schülerinnen, um die dunkle Patina wegzuschrubben. Aber am Ende ist die Inschrift, die an das Leben und den gewaltsamen Tod des Widerstandskämpfers erinnern wieder gut lesbar. Ein Schüler legt eine Hortensienblüte neben den Stein. Dann tragen die Jugendlichen ihre Gedanken zum Schicksal von Josef Becker vor: „Ich finde es bewundernswert, dass du trotz der schweren Zeit du selbst geblieben bist und versucht hast, mit Hilfe von Flugblättern über den Nationalsozialismus aufzuklären.“ „Gymnasium Vogelsang gedenkt der Opfer des Nationalsozialismus“ weiterlesen

Führung Jüdischer Friedhof 19. Mai 2019

Simone Sassin, Leiterin der Arbeitsgemeinschaft Jüdischer Friedhof an der Alexander-Coppel-Gesamtschule und ihr Vorgänger Michael Sandmöller laden zur Führung über den jüdischen Friedhof ein.

Treffpunt ist am Sonntag, den 19. Mai 2019 um 11.00 Uhr vor dem Friedhofstor am Estherweg.

Eine Anmeldung ist nicht erfoderlich. Männliche Besucher werden gebeten, eine Kopfbedeckung zu tragen.

Der jüdische Friedhof ist einer von ca. 2400 jüdischen Begräbnisstätten in Deutschland. Heute dient er als Quelle der Kultur-, Sozial- und Religionsgeschichte Solingens und der bergischen jüdischen Gemeinde mit Sitz in Wuppertal. Durch seine Nutzung als lokale Geschichtsquelle hat er sich zu einem Lernort entwickelt, der sich mittlerweile auch im öffentlichen Bewusstsein einen Platz geschaffen hat.

Der jüdische Friedhof in Solingen wird bereits 1718 erwähnt. Der älteste erhaltene Grabstein stammt aus dem Jahr 1820. Die letzte Beerdigung fand im Jahre 1941 statt. Nach der Zerstörung der Synagoge 1938 in der Pogromnacht ist der Friedhof das einzige und letzte öffentlich sichtbare Zeugnis jüdischer Religion und Kultur in Solingen.

Die Umrisse der ebenfalls in der Pogromnacht zerstörten Friedhofskapelle sind durch Steine sichtbar gemacht worden. Max Leven, dessen Grab die AG ausfindig gemacht hat, liegt ebenfalls auf dem jüdischen Friedhof begraben.

Film-Vorführung: Wir sind Juden aus Breslau

Am 9. April 2019 um 19 Uhr zeigt das Kulturzentrum Cobra den Film „Wir sind Juden aus Breslau“. Der Regisseur Dirk Szuszies gibt eine Einführung in die Filmhandlung und zum Entstehen des Projektes. Der Eintritt ist frei.

Am 10. April um 10 Uhr wird der Film für Schulklassen (Jahrgangsstufen 7 bis Q2) gespielt. Der Eintritt ist ebenfalls frei. Um Anmeldung für diese Vorstellung wird gebeten: a.stock@cobra-solingen.de

Sie waren jung, blickten erwartungsfroh in die Zukunft, fühlten sich in Breslau, der Stadt mit der damals in Deutschland drittgrößten jüdischen Gemeinde, beheimatet. Dann kam Hitler an die Macht. Ab diesem Zeitpunkt verbindet diese Heranwachsenden das gemeinsame Schicksal der Verfolgung durch Nazi-Deutschland als Juden: Manche mussten fliehen oder ins Exil gehen, einige überlebten das Konzentrationslager Auschwitz. Der Heimat endgültig beraubt, entkamen sie in alle rettenden Himmelsrichtungen und bauten sich in den USA, England, Frankreich, und auch in Deutschland ein neues Leben auf. Nicht wenige haben bei der Gründung und dem Aufbau Israels wesentlich mitgewirkt.

14 Zeitzeugen stehen im Mittelpunkt des Films. Sie erinnern nicht nur an vergangene jüdische Lebenswelten in Breslau. Ihre späteren Erfahrungen veranschaulichen eindrücklich ein facettenreiches Generationenporträt. Einige von ihnen nehmen sogar den Weg in die frühere Heimat auf sich, reisen ins heutige Wrocław, wo sie einer deutsch-polnischen Jugendgruppe begegnen. Gerade in Zeiten des zunehmenden Antisemitismus schlägt der Film eine emotionale Brücke von der Vergangenheit in eine von uns allen verantwortlich zu gestaltende Zukunft.

Eine Rolle im Film spielt auch der Wiederaufbau einer jüdischen Gemeinde in Wrocław. Diese Einbindung macht die Fallhöhe deutlich, der Kontrast zum Vergangenen, zum unwiderruflich Verlorenen, wird schmerzhaft größer und deutet doch die Möglichkeit eines zarten Neubeginns an.

FBW: Prädikat Wertvoll; FSK: ab 12 Jahre; Länge: 108 Minuten

Weitere Infos: cobra-solingen.de